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Heft 5

Luise Marcinkowski: Handwerksbetriebe in Kluftern
Hrsg.: Arbeitskreis Heimatgeschichte Kluftern e.V., (AHK). – Kluftern 2003 

Wenn wir die Geschichte unserer Vorfahren nicht bewahren, können wir auch nicht erwarten, dass sich unsere Kinder an uns und unsere Zeit erinnern.

Diesen Grundsatz lebt Frau Luise Marcinkowski uns in vorbildlicher Weise vor. Sie stand nicht immer auf der Sonnenseite des Lebens aber sie hat alle Herausforderungen mit Stärke angenommen und fast 1 Jahrhundert Klufterner Geschichte selbst erlebt.

Luise Marcinkowski:
· Eine geborene Birkhofer aus Lipbach, Jahrgang 1915, besucht die Handelsschule St. Antonius in der Karlstraße
· Und bekommt danach eine Anstellung in der Betriebsleitung der Fa. Dornier-Metallbauten in Manzell
· Sie heiratet, zieht mit ihrem Mann, einem Berufsoldaten nach Lagerlechfeld bei Augsburg,
· es folgen die Kriegsjahre, die Bombenangriffe, mit Evakuierung 1944 nach Thüringen.
· 1946 kann sie aus Thüringen ausreisen, Hab und Gut bleiben zurück, im Güterwagon eingepfercht, Entbehrungen, Demütigungen, Entlausungen inbegriffen, kehrt sie mit ihren Kindern zurück an den Bodensee.
· Sie findet Arbeit bei Fa. CRAS, beim französischen Centre Reparation Auto Sud, dem ersten großen Arbeitgeber in Friedrichshafen nach dem Krieg,
· Als sie in Rente geht, bleibt sie weiter aktiv
· 88jährig, hält sie sich fit durch regelmäßige Gymnastik und sie ist auch geistig fit geblieben.
· Seit über 20 Jahren erledigt sie das Schriftliche und die Kasse beim Altenkreis Cafe Stock
· Seit vielen Jahren ist sie ein Aktivposten im Arbeitskreis Heimatgeschichte,
· Ihr erstes kleines Buch war der Lipbacher Geschichte gewidmet
· Wir sind ja keine Wissenschaftler in der Geschichtsforschung
· Und so kann ich sagen
· Luise Marcinkowski hat ihr 2. Buch zur Geschichte der Klufterner Handwerksbetriebe, mit 46 Fotos wunderschön illustriert, mit Liebe zu den Handwerkern und ihren Familien geschrieben,
· Sie hat mit vielen persönlich gesprochen und schließlich alles in ihren Worten zu Papier gebracht, mit einem Herz für Kluftern und für die Menschen in der Gemeinde.

„Handwerk“

Das Buch, gedruckt von Erwin Briemle aus Lipbach, schildert in lebendiger Weise die Geschichte von 10 Betrieben.
Andere Betriebe fehlen noch und warten auf eine Bearbeitung.

7 der 10 Betriebe gibt es nicht mehr.
Das Schmiedehandwerk ist fast ausgestorben. Nur wenige Küfereien in Europa haben die Zeit der Stahl- und Plastikfässer überlebt.

· Der Wandel ist das Konstante in allen Betrieben.

Damals galt schon: Die Betriebe müssen auf die Veränderungen von Technik und Märkten reagieren.
Wenn die Bäckerei nicht genug Verdienst einbringt, müssen Kolonial- und Spezereiwarenhandel und später in den 30er Jahren noch eine Tankstelle für Ausgleich sorgen. So geschehen beim Bäcker Ammann gegenüber dem „Scharfen Eck“.

Der Bäcker Ammann vor hundert Jahren war mächtig stolz auf das Reklameschild über seiner Ladentüre: Kolonial- und Spezereiwaren. Konkurrenz gab es bereits auf der gegenüberliegenden Straßenseite durch die Bäckerei im Hause Arnold.
· Das Teiganrühren und -formen erfolgte mit der Hand. Außer dem Backofen waren nur noch Holztröge, Schaufeln und Bretter als Hilfsmittel vorhanden.

· In der kalten Jahreszeit war die warme Backstube aber abends auch Treffpunkt der Nachbarn, wie auch der Junggesellen, die sich dort zum Kartenspiel trafen. Sogar die in Immenstaad stationierten Gendarmen, die mit dem Fahrrad unterwegs waren, kamen gerne vorbei um sich an der Ofenwand aufzuwärmen.
· Heute kämpft die Gemeinde Immenstaad um den Fortbestand der Polizeistation. Dass die Polizisten aus Immenstaad noch zum Aufwärmen in die Klufterner Backstuben kommen, ist nicht bekannt.

Die Lohnbäckerei war seinerzeit weit verbreitet. Die Bauern brachten ihr Mehl zum Bäcker, bezahlten den Backlohn, 10 Pfennig fürs Brot, und erhielten ihr Brot zurück.
Auch am Sonntag wurde gebacken, damit zum Frühschoppen im Gasthaus frische Hefewecken und Brezeln verzehrt werden konnten.


Alfred Schnekenbühl, vom Hoch- und Tiefbau Schnekenbühl, berichtet von den schlechten Zeiten:
· Als Bauen in Kluftern im 1. Weltkrieg nicht gefragt war,
produzierte die Baufirma statt Betonbauteilen in der Werkstatt mit einem extra installierten Ofen Dörrobst. Der Ofen war Tag und Nacht in Betrieb, vom Bahnhof Kluftern ging die Ware zu den Militärbehörden zur Versorgung der Soldaten.
· Während der Inflation 1923 wurde der kleine Alfred Schnekenbühl mit einem Weidenkorb voller Geldscheine zum Einkaufen zum Bäcker Ammann geschickt. Frau Ammann kippte die Scheine ungezählt in eine große Holzkiste und gab ihm das Brot.
· Welche Häuser die Firma in Kluftern baute – es ist eine stattliche Zahl – erfahren Sie aus dem neuen Klufterner Heft, garniert mit Fotos dieser Häuser aus den 20er Jahren.
· So sind u. a. das Gasthaus zum scharfen Eck, das alte Haus Bossenmaier, das Haus von Luise Marcinkowski, der Bauernhof Schmid in Lipbach Schnekenbühl-Bauten

Vom Schlosser in der Industrie hin zum selbständigen Unternehmer, das ist die Karriere des Klufterner Ehrenbürgers Josef Braun.
· 1925 übernahm er in der Ziegelei Heger in Immenstaad eine Betriebsleiterstelle und bezog eine Wohnung in Kluftern, dort wo vor kurzem noch die Apotheke zuhause war. Gegenüber, im Bauernhaus, richtete er sich eine Werkstatt ein und begann die Fertigung von Ziegelmundstücken, das sind Formen zum Strangpressen von Ziegeln.
· Es folgte der Umzug in die Bahnhofstraße, das neue Fabrikgebäude erstellte besagte Baufirma Schnekenbühl.
· Seit 1961 liegt die Führung des Unternehmens in den Händen seiner Tochter Martha Rank und ihrem Mann Horst Rank. Mit ihren Söhnen steuern sie heute die Firma in einem hart umkämpften Markt.
· Sie, liebe Zuhörer, werden ihre Freude haben am Foto mit den Autos der Mitarbeiter aus den 60iger Jahren.

Nach dem 2. Weltkrieg kam Ludwig Schmidhuber nach Kluftern, heiratete Martha Fürst und gründete 1947 die Schreinerei Schmidhuber. Die Schreinerei blieb ein kleinerer Betrieb mit ca 10 Mitarbeitern.
· Der Neubau der Werkstatt vor etwa 20 Jahren an alter, beengter Stelle neben dem Rathaus war ein Fehler, meinte sein Sohn Hans Schmidhuber vor einigen Jahren. So konnte die Produktion nicht optimal gestaltet werden.
· Spezialisiert auf Holzfenster, später noch auf Sicherheitsfenster, ein hart umkämpfter Markt, dazu eine starke Konkurrenz der Kunststofffenster, die schwache Baukonjunktur, führten zur Schließung des Betriebs.

Einen Schuhmachermeister gibt es in Kluftern schon lange nicht mehr.
Als der letzte Schuhmacher im Dorf, der Xaver Güntner, 1957 starb,
blieben für viele seiner Kunden und die Kinder, die ihn gerne in seiner Lipbacher Werkstatt besuchten,
die Erinnerungen an die wunderbaren Gerüche von Schusterleim und Leder
und an den Gesang der Vögel aus den unzähligen Käfigen in Werkstatt und Wohnung.

Wenn Wagnermeister und Zimmermann Franz Wurst in seiner Efrizweiler Werkstatt heute ein Wagenrad aus Holz herstellt und mit einem Eisenband einfasst, dann nur noch zur Befriedigung nostalgischer Touristengefühle. Die Hagnauer haben vor wenigen Jahren einen großen Leiterwagen alter Bauart bei ihm bestellt, um ihn blumengeschmückt für die Touristen aufzustellen.
· Wie die meisten kleinen Handwerksbetriebe so war auch der Betrieb Wurst, heute in der 4. Generation, früher auf Nebenverdienste angewiesen. Landwirtschaft, Kühe, Schweine, Stallhasen gehörten dazu, Sonderkulturen wie Hopfen und Obst. Die letzten Hopfenstangen sind erst vor wenigen Jahren aus Efrizweiler verschwunden.
· Besonders zur Zeit der Birn- und Apfelbaumblüte empfiehlt sich ein Besuch des Betriebs in Efrizweiler, wenn die Allee der großen alten Obstbäume im Efridweg ihre Blütenbracht entfaltet.

Mit Fidel Knoblauch, geboren 1881, beginnt die Firmengeschichte der Schreinerei Knoblauch.
· Schule in Kluftern, Lehrjahre in Meersburg, Gesellenjahre in der Pfalz und im Südbadischen, Wehrdienst in Mühlhausen im Elsass, Meisterprüfung in Freiburg und
· mit 27 Jahren Start einer eigenen Schreinerei in Efrizweiler. Die brennt bereits 3 Jahre später ab.
· Ein Neustart mit einem Kolonialwarenladen unten und einer Schreinerei im 1. Stock des Hauses hat Erfolg. Das war 1912.
· Immerhin kann man sich 1930 ein Auto leisten, in dem sich die Familie stolz fotografieren lässt.
Als um 1972 das große Sterben der Tante-Emma-Läden einsetzt, schließt auch der Lebensmittelladen Knoblauch in Efrizweiler. Die Schreinerei allerdings wird erfolgreich den neuen Zeiten angepasst. Dies gilt bis heute.

Karbatschen-Schneller der etwas älteren Generation erinnern sich noch gut an den Seilermeister Josef Böhler aus dem Hohen Weg, der ihnen die Peitschen, also die geflochtenen, gesponnenen Karbatschen für die Fastnachtszeit in seiner Werkstatt herstellte und reparierte.
· In den Jahren vor dem 2. Weltkrieg, bauten die Bauern noch Flachs und Hanf an und stellten dem Seiler für ihre Aufträge die Rohstoffe selbst zur Verfügung. Wie damals der Umgang mit Hanf war, wäre heute auch eine Nachfrage wert.


· Die beiden Glocken „Johannes und Bernadette“ über uns im Kirchturm kommen aus dem Hause Böhler. Johann Böhler, der Bruder des Seilermeisters, hat sie 1978 gestiftet. Damit haben wir eine weitere Verbindung vom Klufterner Handwerk zu unserem heutigen Veranstaltungsort.

Küfers Eugen, der Küfermeister Eugen Maier senior, kam um 1890 nach Kluftern und arbeitete zuerst beim Küfer Conrad Fürst.
· Um 1900 startete er eine eigene Küferei in Efrizweiler. Damals gab es noch den letzten Weinbau bei uns in Kluftern. Holzfässer für Wein und Most waren noch gefragt.
· Sein Sohn Eugen, der spätere Spannzeuge–Maier und Küfers Eugen junior, lernte statt dessen Maschinenschlosser und arbeitete beim Maibach (der späteren MTU).
· Durch die Zerstörung der Häfler Großindustrie im 2. Weltkrieg kam auch er noch einmal zum Küferhandwerk. Sein Meisterstück: Mostfässer rund und oval.
· Serienfertigung im Fassbau und Schritt für Schritt auch Serienfertigung von Drehteilen für die Autoindustrie waren die Standbeine der Firma.
· Die Erfindung der „Eugen Maier Lünette“, einem Spannzeug zur präziseren Herstellung von Drehteilen brachte den wirtschaftlichen Durchbruch. Die Küferei war passé.
· 1970 brachte die neue Fabrikhalle in Efrizweiler für die Lünetten-Fertigung Arbeit für 80 Mitarbeitern. Auch das ist heute passé. Längst sind ganz andere Firmen in dieser Werkshalle untergebracht.

Was machte ein Schmied im Dorf. Dieses wunderbar erhaltene Hauptbuch von 1898 des Schmieds Konrad Zimmermann aus Efrizweiler gibt Auskunft:
· Farre ausgschnitte, 3 Mann Beihilfe, 5 Mark, das war ein Großauftrag der Gemeinde Kluftern
· Brunnenkolben, Feuerspritzen, Stäbe zum Turnen, Kreuzpickel, Schuhabstreifer am Rathaus, mit Einzelpreisen von 10 Pfennigen bis eins zwei Mark, das sind die Standardaufträge der Gemeinde.
· Für die Bauern im Dorf wurden Wagenachsen, Eggen und Pflüge hergestellen und gerichtet.
· Auch die Geiger-Mühle und der Sägebetrieb Kuppel von der Eichenmühle gehören zu den Kunden.
Jedem Kunden ist eine eigene Seite im Hauptbuch des Schmieds gewidmet.
· Dieses Buch ist für mich ein großartiges Dokument, über 100 Jahre alt, noch topp in Ordnung. Heute in der Obhut der Sieglinde Lemmle aus Efrizweiler, Eine kleine Firmengeschichte.
· Ich stelle mir jetzt vor, was von den Firmenunterlagen, die heute auf dem PC erstellt und gespeichert werden, in 100 Jahren noch übrig ist. Eine CD vielleicht, die keiner lesen kann?

Zur Hauptkundschaft zählten rund 100 kleine Bauern mit wenigen Pferden, 300 Ochsen, Kühen.
· Und neben der Schmiede musste immer noch die eigene Landwirtschaft umgetrieben werden, damit die Familie versorgt werden konnte. Eine schwere Belastung für die Hausfrauen und Mütter.

Wenn sie mal eine Efrizweiler Hopfenkönigin sehen wollen, müssen Sie unbedingt dieses Büchlein kaufen und beim Schmied Zimmermann nachschauen.

Sie sehen, sehr verehrte Gäste, es sich lohnt, in den Besitz dieses Buchs von Luise Marcinkowski zu kommen. Auch wenn ich ihnen einiges erzählt habe, bleibt noch vieles in diesem Buch für sie zum Entdecken.