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7000 Jahre alte Esche

SZOn – Schwäbische Zeitung online vom 17.04.2004 von ELKE OBERLÄNDER

Baggerfahrer entdeckt 7000 Jahre alten Baum

KLUFTERN – 7000 Jahre lang hat eine umgestürzte Esche im Lehm der Brunnisachaue beim Lettenhof gelegen. Ein Bagger hat den Baum unlängst wieder ans Tageslicht befördert. Heute werden die ältesten Holzfunde im Kreis dem Archiv für Heimatgeschichte in Markdorf und dem Arbeitskreis Heimatgeschichte in Kluftern übergeben.

Eine dünne hellgraue Lehmschicht überzieht die Holzstücke, die Rudolf Moser in seinem Wohnhaus auf dem Lettenhof aufbewahrt. Hätte der Architekt die Baggerarbeiten im vergangenen Jahr nicht so aufmerksam beob-achtet, wäre das uralte Holz niemandem aufgefallen. “Ich wollte nur sehen, ob auch tief genug gebaggert wird”, berichtet Moser. Der Besitzer des Lettenhofs hatte eine seiner Flächen für das Renaturierungsprojekt zur Verfügung gestellt – unter der Bedingung, dass auf dieser Fläche ein Teich angelegt wird. Und just in der Mulde für den Teich ist in drei Metern Tiefe der Eschenstamm aufgetaucht. Das Labor für Umweltphysik in Heidelberg hat die Holzreste datiert: Der Baum ist zwischen 4945 und 4855 vor Christus gestorben.

Warmphase in Mitteleuropa

Moser hat die Reste der Esche genau untersucht: Er vermutet, dass der Baum einen Durchmesser von 1,50 Meter hatte und 700 Jahre alt geworden ist. Heute werden Eschen um die 200 Jahre alt. Aber um 5000 vor Christus habe in Mitteleuropa eine Warmphase geherrscht, sagt Dr. Tillmann Stottele, Leiter des städtischen Umweltamts. Der Fund aus der Vorzeit hat in der lokalen Agenda Kluftern großes Interesse an der Siedlungsgeschichte der Region geweckt. Am Donnerstag hat sich in der Arbeitsgruppe “Siedlung und Natur” eine Projektgruppe “Frühgeschichte” gebildet, die sich mit der Entwicklung von Klima, Natur und menschlicher Besiedlung in der Region Kluftern befassen will. Mitglied dieser Projektgruppe ist auch Gunar Seitz. Er hat bereits herausgefunden, dass um 5000 vor Christus in Ulm und im Hegau neolithische Bauern siedelten. Auf ihren Streifzügen benutzten diese Bauern vor allem die Wasserwege. Seitz hält es für sehr wahrscheinlich, dass sie auch durch die Brunnisach-Aue kamen. Später habe es eine keltische Siedlung zwischen Riedheim und Efrizweiler gegeben. Auf der anderen Seite von Kluftern, Richtung Immenstaad, liege die südlichste keltische Viereckschanze in Baden-Württemberg. Der Lettenhof sei ursprünglich ein römisches Landhaus gewesen, sagt Seitz. Während die Kelten nur Lebensmittel für den eigenen Bedarf angebaut hätten, seien die Römer die Ersten gewesen, die Exportwirtschaft betrieben haben. Der Lettenhof sei zur Römerzeit “eine größere Anlage” gewesen, die von etwa 20 Menschen bewirtschaftet wurde.

Informationstafeln geplant

“Hier war schwer was los”, bestätigt Moser. Der Architekt, ebenfalls in der neuen Projektgruppe aktiv, berichtet, dass er bei den Bauarbeiten für sein Atelier auf dem Lettenhof römische Fundamente gefunden habe. Als erstes Ziel hat sich die Projektgruppe “Frühgeschichte” vorgenommen, zwei Tafeln mit Informationen zur Siedlungsgeschichte und zu Klima und Natur in früherer Zeit zu gestalten. Die Informationstafeln sollen noch in dieser Wandersaison auf dem zukünftigen Klufterner Ortsrundweg aufgestellt werden, den mehrere Lokale Agenda-Gruppen gemeinsam gestalten.}

skol – Südkurier online vom 19.04.2004 06:14 von CHRISTIANE KEUTNER

7000 Jahre alte Esche kommt ins Archiv
Ältester Baumfund im Bodenseekreis – Fossil in Konstanz 2000 Jahre jünger
Es klingt und es ist sensationell: Auf Markdorfer Gemarkung, auf dem Lettenhof der Familie Moser, ist der älteste Baum des gesamten Bodenseekreises gefunden worden. 7000 Jahre ist der Eschenstamm mindestens alt. Stücke davon übergab Rudolf Moser am Samstag an Stadtarchivar Manfred Ill und Bernd Caesar, Vorsitzenden des Arbeitskreis Heimatgeschichte Kluftern.



Freuten sich immens über den 7000 Jahre alten Eschenstamm, von dem Besitzer Rudolf Moser (dritter von links, neben seiner Frau Monika) Teile an Markdorfer Stadtarchivar Manfred Ill (3. von rechts) und Bernd Caesar, Vorsitzender des AK Heimatgeschichte in Kluftern (2. von rechts) übergab. Rechts Hans-Peter Kaldenbach, Geschäftsführer der Stiftung Zeppelin Wohlfahrt Friedrichshafen, links Dr. Tillmann Stottele, Leiter des Amts für Umwelt und Naturschutz der Stadt Friedrichshafen, und sein Mitarbeiter Bertrand Schmidt (Mitte). Bild: Keutner

Markdorf – Als der Bagger beim Aushub eines geplanten Weihers mit seiner mächtigen Schaufel auf einen Stamm stieß, stoppte ihn Rudolf Moser: “Mir war klar, dass das irgend etwas Besonderes und Altes ist.” Klar war das auch bald den Mitarbeitern des dentrochronologischen Labors in Gaienhofen-Hemmenhofen, die Alter und Baumart bestimmen sollten. Beim Markdorfer Fundstück mussten sie passen. Ihnen fehlten Holzproben zum Vergleich.

Erst eine Untersuchung mit der so genannten C14-Radiocarbonmethode an der Uni Heidelberg brachte die sagenhafte Erkenntnis: Der Baum muss 5000 vor Christus abgestorben sein. Die älteste Holzprobe, die das archäologische Museum in Konstanz aufweisen kann, ist “nur” 5000 Jahre alt. Ebenfalls bemerkenswert: Es gibt keine so alten Eschenfunde, weil es zu der damaligen Zeit eine Abkühlung des Klimas gab, worauf die Eschen in die Talsenken verdrängt wurden.

Interessant ist der Stamm auch deshalb, weil er Rückschlüsse auf Vegetation und Klima zulässt – und damit auf Besiedelungsmöglichkeiten. Deswegen hat sich vergangenen Donnerstag eine Projektgruppe Früh- und Siedlungsgeschichte Kluftern aus Mitgliedern des Arbeitskreis Heimatgeschichte und Kunst in Kluftern (KIK) gegründet, die innerhalb der Lokalen Agenda bereits gemeinsame Projekte hatten und durch Gunnar Seitz vertreten war. Die Gruppe will den Fund aufarbeiten und mit zwei Infotafeln im Rahmen des seeumspannenden Konzepts den Lebensraum Brunnisach-Au dokumentieren.

Dr. Tillmann Stottele, Leiter des Amts Umwelt- und Naturschutz der Stadt Friedrichshafen, bezeichnete die Entdeckung als wunderschönes Ergebnis eines Projekts, das zeige, dass man über Grenzen hinweg zusammenarbeiten müsse. Viele Zufälle hatten zum seltenen Fund geführt: Die Stiftung Zeppelin Wohlfahrt Friedrichshafen, vertreten durch ihren Geschäftsführer Hans-Peter Kaldenbach, hatte einen kleinen Teil einer fünf Hektar großen Renaturierungsfläche an den Architekten Rudolf Moser verkauft. “Ein Visionär” , so Stottele. Denn Moser wollte den Hof mit Wiesen und Streuobstbäumen naturnah gestalten. Und mit einem großen und tiefen Weiher, damit Fische überwintern können, in Verbindung mit dem Brunnisach-Bach. Letzteres stellte er allerdings aus finanziellen Gründen erst einmal zurück.

Währenddessen suchte die Zeppelin-Stiftung nach einer Ausgleichsfläche für den zweiten Ankerplatz des Zeppelin am Flughafen Friedrichshafen. Das Umweltamt brachte die beiden zusammen – vor dem Hintergrund einer geplanten Renaturierung des Geländes, auf dem es teilweise Schutt- und Müll-Altlasten gab und für den ein Gewässerentwicklungsplan existierte. Rudolf Moser als unmittelbarer Anlieger bot einen Hektar seiner Fläche mit Wiese und Wald an mit der Idee, den Teich anzulegen. Stottele: “Das hat uns in die Lage versetzt, eine großflächige Renaturierungsmaßnahme durchzuführen” .

Ausgezahlt hat sich dann noch die Überprüfung von Bertrand Schmidt vom Amt für Umwelt und Naturschutz: Eine halbe Million Euro hatte ein Gutachterbüro für die Ausführung angesetzt; hunderte von LKW-Ladungen Erde hätten wegtransportiert werden müssen. Dank Schmidts Lösung mussten die Erdmassen nur innerhalb der fünf Hektar bewegt werden – mit der Erde wurden Altlasten abgedeckt, um dieselben Verhältnisse wie am Flughafen herzustellen. Ein Sumpfwald sollte und soll entstehen. Durch die Verbindung von Altlastensanierung und Ausgleichsfläche wurde das Ganze rund 300000 Euro billiger.

Darüber, wie alt der Baum zu seinen Lebzeiten war, gingen die Meinungen der Anwesenden auseinander. Üblicherweise wird das anhand der Jahresringe bestimmt. Schätzten die einen ihn auf 200 bis 400 Jahre, geht Rudolf Moser von 700 Jahren aus, bevor der Baum umfiel und zum Fossil wurde. Denn untersucht wurde nur ein Bruchstück des Stamms, das alleine 137 Jahresringe aufweist. Die Diskussion um Alter und Landschaftsumformung beendete Manfred Ill mit der Bemerkung: “Egal wie es war: Ich bin ein Freund der Natur und mich freut, dass so etwas hier wieder entsteht.”

SZON – Schwäbische Zeitung online vom 29.04.2004 von ELKE OBERLÄNDER

Nach 7000 Jahren im Lehm wandert Holz jetzt in Vitrinen

Als “sensationell” bewertet Dr. Tillmann Stottele, Leiter des Häfler Umweltamts, den Fund der ältesten Holzstücke im Bodenseekreis. Gefunden hat sie Rudolf Moser vom Lettenhof; nun wandern die Reste der 7000 Jahre alten Esche ins Markdorfer Archiv für Heimatgeschichte.

Rudolf Moser und Bernd Caesar, Vorsitzender des Arbeitskreises Heimatgeschichte Kluftern, haben Archivar Manfred Ill die uralten Raritäten übergeben.

“Wir haben das Holz erst einmal gestapelt”, berichtet Moser. Der Architekt und Besitzer des Lettenhofs hat die Bruchstücke des uralten Baumstamms gerettet, als die Brunnisach renaturiert wurde (die SZ berichtete). Als ein Tümpel in der Nähe seines Wohnhauses ausgehoben wurde, waren ihm die Holzstücke in der Baggerschaufel aufgefallen. Zunächst hatten weder der Architekt noch die Biologen vom Häfler Umweltamt vermutet, dass der Baumstamm dermaßen alt sein könnte. Bis das Ergebnis der Laboruntersuchung kam, hatte Moser aus Teilen des Holzes bereits einen Igelunterschlupf gebaut. Den hat er nun freilich schnell wieder abgebaut, nachdem bekannt wurde, dass die Holzstücke sage und schreibe 7000 Jahre alt sind.

Moser war schnell klar: “Das Holz muss in eine Vitrine”. Auf einem Tisch in seinem Atelier hat er die uralten Eschenstücke aufgebaut. In der Mitte teilt eine rote Schnur die Holzstücke in zwei Portionen.

Portionsweise Aufteilung

Manfred Ill darf zuerst an den Tisch treten: Weil die Esche auf Markdorfer Gemarkung gefunden wurde, darf der Markdorfer Archivar für Heimatgeschichte seine Holzportion wählen. Die andere bekommt der Vorsitzende des Arbeitskreises Heimatgeschichte Kluftern, Bernd Caesar. Die beiden Archivare wollen das knochentrockene, bröselige Holz voraussichtlich in ein Konservierungslabor in Konstanz geben, um es für die Nachwelt haltbar zu machen. Caesar schwebt vor, aus dem größten Stück eine Scheibe herausschneiden zu lassen, damit die zahlreichen Jahresringe zu sehen sind.

Die Klufterner wollen ihre jahrtausendealten Holzstücke in den Räumlichkeiten des Arbeitskreises für Heimatgeschichte im Klufterner Rathaus präsentieren. Der Markdorfer Archivar denkt ebenfalls an einen Platz im Rathaus Ñ wobei ihm eine Vitrine vorschwebt, in der die kostbaren, jahrtausendealten Stücke “wirklich geschützt” und mit guter Beschriftung versehen sind.