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V2 Werk

Aus Anlass des Vortrags von Stadtarchivar Dr. Georg Wieland im Klufterner Bürgerhaus am 01.03.2002 hier das Vorabinterview:

“V2 hat Faszination ausgeübt”
(Interview mit Stadtarchivar Georg Wieland von Südkurier Redakteurin Alice Natter)

V2 ist ein Mythos. Wie läßt sich davon die “wahre” Geschichte trennen, welche Quellen gibt es, auf die Sie zurückgreifen können?

Weil es den Mythos V2 gibt, gibt es auch eine ganze Reihe von Veröffentlichungen. Die Hintergründe, die in Peenemünde an der Ostsee lagen, sind sehr gut dokumentiert.. Weil V2 auch die Vorgeschichte der Weltraumtechnik und mit der Person Wernher von Braun verbunden ist, sind die Umstände der Entstehung einigermaßen gut aufgearbeitet. Was die Friedrichshafener Komponente betrifft, gibt es relativ umfangreiche Unterlagen im Militärarchiv Freiburg.

Wie kam es überhaupt dazu, dass Friedrichshafen Standort für die V2-Produktion wurde?

Es ist eine Zusammenarbeit zwischen Peenemünde und Luftschiffbau Zeppelin gewesen. Die Spitzen dort waren 1941 auf der Suche nach Produktionsstandorten. Man wollte zwei, drei verschiedene Standorte finden. Es hängt wohl mit persönlichen Beziehungen zusammen.

Wie sehen Sie die Rolle Hugo Eckeners in Bezug auf V2?

Der Ideologie der Nazis stand er sicherlich kritisch gegenüber. Hier aber war die technische Seite gefragt. Der Luftschiffbau Zeppelin hat nach 1933 sehr lange darauf gewartet, mit Rüstungsaufträgen versorgt zu werden. Die Tochterfirmen, vor allem Maybach und die Zahnradfabrik, haben Aufträge bekommen, die Mutterfirma stand außen vor. Das muss Eckener sehr gewurmt haben. Insofern hat er als Unternehmer gedacht.

Was ist übrig geblieben? Was sieht man noch von der Anlage?

Es gab zwei V2 Anlagen. Der Luftschiffbau selbst, dort war die industrielle Fertigung. In Raderach war die Heeresanlage, eine Abnahmestelle für zusammengebaute V2s, wo die Antriebe getestet wurden. Darüber hinaus wurde in Raderach Sauerstoff produziert. Die interessantesten Teile sind leider seit 1982 Teil der Mülldeponie, die sich jetzt immer weiter nach Süden ausbreitet und inzwischen auch die ehemaligen Standorte der Prüf-Stände und des Messhauses überdeckt hat. Es waren nur noch Ruinen zu sehen, weil die Franzosen im Frühjahr 1948 die ganze Anlage mit sehr viel Sprengstoff in die Luft gejagt haben. Durch die Deponie hat man ein wichtiges Kapitel der Zeitgeschichte entsorgt mit dem Haus- und Gewerbemüll des Landkreises. Die Nordhälfte ist noch erhalten, da sieht man Trümmer des Elektrizitätswerks und des Sauerstoffwerks.

Wie stark hat V2 der Stadt geschadet?

Während des Krieges wenig, weil die Alliierten zwar wussten, dort läuft irgendetwas Wichtiges. Wir haben Hunderte von Aufklärungsfotos jetzt im Stadtarchiv. Sie haben es als Treibstoffanlage gedeutet. Das hat zwei Luftangriffe bei Tag ausgelöst. Der erste Angriff am 3. August 1944 ist fehlgeschlagen, weil die Bomben zu früh ausgeklinkt wurden. Da ist Schnetzenhausen getroffen worden. 13 Tage später hat der Folgeangriff Raderach schwer getroffen. Die Abnahmestelle wurde sofort stillgelegt. Insofern hat V2 den Luftkrieg mit beeinflusst. Wenn die Alliierten genau gewusst hätten, was dort geschieht, hätten sie viel intensiver angegriffen.

Wusste die Bevölkerung, was in der Anlage geschieht?

Sie wusste nichts genaues, aber man hat gemerkt, da ist irgendetwas Bedrohliches. Die Anlage hat sich verraten durch aufsteigende Dampfwolken und den großen Lärm, den die Antriebsversuche gemacht haben. Es wurde gezündet und dann sofort wieder mit Wasser abgelöscht, das muss einen Riesenlärm verursacht haben, der angeblich bis in die Schweiz und nach Überlingen zu hören war.

Bei den älteren Klufternern und Raderachern heißt das Gebiet heute noch “V2-Werk”.

Während des Krieges hat das sicherlich Faszination ausgeübt und man hat sich kaum getraut darüber zu flüstern. Andererseits das Donnern … die Bevölkerung ist schon in Mitleidenschaft gezogen worden.

Stand: SÜDKURIER Nr. 50 FN vom Do. 28.02.2002

Bilder zum V2-Werk bei Raderach

SKOL – Südkurier Online vom 18.10.2005 von GEORG WEX

Zweiter Klufterner Geschichts- und Kunsttag mit Zeugnissen gegen Gewalt und Krieg

Weinend hält ein alter Mann, Rudolf Nägele aus Lipbach, ein Bild mit vier jungen Männern in Uniform in der Hand. Vier seiner Brüder, gefallen im Zweiten Weltkrieg. So beginnt der Film “Glockenschläge”, der am Sonntagabend beim 2. Klufterner Geschichts- und Kunsttag gezeigt wurde. Trotz gerade einmal fünf Grad kamen einige hundert Menschen, um sich den Film von Günther Henry Schulze anzusehen. Eigentlich sollte es ja “nur” ein Film um die Wiederkehr zweier Glocken der Kirche St. Gangolf sein, die für die Produktion von Waffen aus dem Kirchturm geholt und eingeschmolzen werden sollten. Im Januar 1948 kamen sie aus Hamburg weitgehend unversehrt nach Kluftern zurück und wurden in einem festlichen Zug wieder zur Kirche gebracht, eine Woche vor dem Weißen Sonntag.Aber Schulze machte es sich nicht einfach. Er recherchierte und sammelte altes Material. Exakt zeigt der Film Reden, die damals die Bevölkerung begeisterten und den Nazis zur Macht verhalfen und die Beobachter heute den Kopf schütteln lassen. Und gnadenlos zeigt er die Folgen. Mit infernalischem Lärm lässt Schulze die Stalin-Orgeln johlen und die Kanonen donnern, zeigt Aufnahmen von verzweifelten und zerfetzten Soldaten und zerbombte Städte. Ein langer Blick fällt dabei auf Friedrichshafen. Eine Liste zeigt die Namen der 61 Gefallenen aus Kluftern, Efrizweiler und Lipbach. Plötzlich spielt die Musikkapelle hinten auf dem Platz und zeigt Bilder des heutigen Kluftern: Menschen beim Einkaufen und beim Sport, spielende Kinder: Frieden. Und dann wieder eine lange Reihe von Namen von Ländern, die nicht, wie wir, nach der großen Zerstörung 60 Jahre in Frieden leben konnten.Ein beeindruckender Film, trotz mancher technischer Pannen, mancher Lücken im Ton und – oder gerade – bitterer Kälte. Gebannt bleiben die Zuschauer die rund 50 Minuten auf dem Platz. “Nein”, sagt Schulze, er wird den Film nicht noch einmal zeigen. “Er war nur für diesen Tag” und fängt an, seine Geräte zu verpacken.Die Menschen strömen unterdessen ins Rathaus, um die Eröffnung der Ausstellung der Gruppe Kunst in Kluftern zum Thema Krieg zu verfolgen und die Werke von Kathleen Manigk-Lesche, Rudolf Moser, Kordula Schillig, Heinrich Kaltenbach, Brigitte Caesar, Günther H. Schulze und Erika Zehle zu betrachten. Hauptanziehungspunkt ist aber sicher die Installation von Ragnhild Becker und Gunnar Seitz “Schweigend – ohne Gedenken” im Dachgeschoss.Auf einer braunen Unterlage liegen symbolisch zerbrochene Herzen. Die Logistik der Vernichtung ist mit Schreibmaschinen an den Ecken dargestellt. Folien hängen von der Decke und werfen den Schleier der Geschichte über die Szenerie. So beschreibt Ortsvorsteher Clifford Asbahr das Werk, merkt aber an, dass sich natürlich jeder seine eigenen Gedanken machen kann. Nach dem im Film gesehenen Grauen verfehlt das düstere Werk seine Wirkung nicht. Die Ausstellung ist bis zum 21. November zu sehen.