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Wie der Krieg nach Kluftern kam

SKOL – Südkurier Online vom 18.10.2005 von GEORG WEX

Zweiter Klufterner Geschichts- und Kunsttag mit Zeugnissen gegen Gewalt und Krieg

Weinend hält ein alter Mann, Rudolf Nägele aus Lipbach, ein Bild mit vier jungen Männern in Uniform in der Hand. Vier seiner Brüder, gefallen im Zweiten Weltkrieg. So beginnt der Film “Glockenschläge”, der am Sonntagabend beim 2. Klufterner Geschichts- und Kunsttag gezeigt wurde. Trotz gerade einmal fünf Grad kamen einige hundert Menschen, um sich den Film von Günther Henry Schulze anzusehen. Eigentlich sollte es ja “nur” ein Film um die Wiederkehr zweier Glocken der Kirche St. Gangolf sein, die für die Produktion von Waffen aus dem Kirchturm geholt und eingeschmolzen werden sollten. Im Januar 1948 kamen sie aus Hamburg weitgehend unversehrt nach Kluftern zurück und wurden in einem festlichen Zug wieder zur Kirche gebracht, eine Woche vor dem Weißen Sonntag.Aber Schulze machte es sich nicht einfach. Er recherchierte und sammelte altes Material. Exakt zeigt der Film Reden, die damals die Bevölkerung begeisterten und den Nazis zur Macht verhalfen und die Beobachter heute den Kopf schütteln lassen. Und gnadenlos zeigt er die Folgen. Mit infernalischem Lärm lässt Schulze die Stalin-Orgeln johlen und die Kanonen donnern, zeigt Aufnahmen von verzweifelten und zerfetzten Soldaten und zerbombte Städte. Ein langer Blick fällt dabei auf Friedrichshafen. Eine Liste zeigt die Namen der 61 Gefallenen aus Kluftern, Efrizweiler und Lipbach. Plötzlich spielt die Musikkapelle hinten auf dem Platz und zeigt Bilder des heutigen Kluftern: Menschen beim Einkaufen und beim Sport, spielende Kinder: Frieden. Und dann wieder eine lange Reihe von Namen von Ländern, die nicht, wie wir, nach der großen Zerstörung 60 Jahre in Frieden leben konnten.Ein beeindruckender Film, trotz mancher technischer Pannen, mancher Lücken im Ton und – oder gerade – bitterer Kälte. Gebannt bleiben die Zuschauer die rund 50 Minuten auf dem Platz. “Nein”, sagt Schulze, er wird den Film nicht noch einmal zeigen. “Er war nur für diesen Tag” und fängt an, seine Geräte zu verpacken.Die Menschen strömen unterdessen ins Rathaus, um die Eröffnung der Ausstellung der Gruppe Kunst in Kluftern zum Thema Krieg zu verfolgen und die Werke von Kathleen Manigk-Lesche, Rudolf Moser, Kordula Schillig, Heinrich Kaltenbach, Brigitte Caesar, Günther H. Schulze und Erika Zehle zu betrachten. Hauptanziehungspunkt ist aber sicher die Installation von Ragnhild Becker und Gunnar Seitz “Schweigend – ohne Gedenken” im Dachgeschoss.Auf einer braunen Unterlage liegen symbolisch zerbrochene Herzen. Die Logistik der Vernichtung ist mit Schreibmaschinen an den Ecken dargestellt. Folien hängen von der Decke und werfen den Schleier der Geschichte über die Szenerie. So beschreibt Ortsvorsteher Clifford Asbahr das Werk, merkt aber an, dass sich natürlich jeder seine eigenen Gedanken machen kann. Nach dem im Film gesehenen Grauen verfehlt das düstere Werk seine Wirkung nicht. Die Ausstellung ist bis zum 21. November zu sehen.